Müde von Videokonferenzen? Zur Erinnerung: es geht auch jetzt um Arbeit. Und um Führungs-Arbeit. Gerne auch von zu Hause.

Der Fokus bzw. die Engführung auf das Gesicht des Gegenübers bzw. des Gegenübers auf mein Gesicht ist lediglich EINE Ebene von Führung und Interaktion. „Seeing faces“ ist wichtig, was mindestens genau so wichtig ist, ist „seeing hands“, maßgeblich metaphorisch: Arbeit sehen, wie Arbeit geschieht, wie Werke entstehen oder in Kombination von vielen Händen, wie Zusammenarbeit geschieht, wahrgenommen und koordiniert werden kann. Das ist Kollaboration. Zusammen-Arbeit.

Das sind nicht virtuelle Pinboards oder Metaplanwände, die sich jetzt in der virtuellen Euphorie von Online-Konferenzen etablieren, wo eine Vielzahl digitaler Post-Ist gepinnt und hin- und hergeschoben wird. Dies ist vielleicht für ein Brainstorming interessant, aber ist das Arbeit?

Im digitalen Raum stellt sich die Frage vielleicht nüchterner und deutlicher: was ist Arbeit?

Und dann: was ist Führung, wenn nicht die bestmögliche Organisation von Arbeit, von Zusammenarbeit? Was soll erzielt werden? Was sind Ergebnisse? Was ist Arbeit und Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang? Wie lässt sich Kollaboration gestalten, was tut Führung dazu, das Kollaboration gelingt, möglicherweise sogar produktiver und effektiver als im direkten touch-and-feel? 

Seeing faces, seeing hands, seeing ends.

Wenn der Fokus auf „seeing faces“ liegt, auf dem kommunikativen Aspekt, dann wird weiterhin viel gesprochen, ausgetauscht, es wird viel geredet, extrovertierte kommunikative Schwergewichte haben die Oberhand, andere werden stiller, ziehen sich zurück.

Wenn der Fokus auf „seeing hands“ und schließlich den Ergebnissen „seeing ends“ liegt, dann geht es um die Zusammenarbeit, dann wird gearbeitet, dann entstehen gemeinsam Texte, dann entstehen gemeinsam Konzepte, Designs, dann entsteht so etwas wie funktionierender Software-Code oder Wikipedia, eine, mit allen Einschränkungen, wahre kollaborative Anstrengung.

Die Frage, vor der Führungskräfte stehen, wie sie diese Zusammenarbeit organisieren. Wie Menschen zusammenarbeiten, wer welche Verantwortungen trägt, wer welche Rechte zum Beispiel für Freigaben oder Quality Gates hat, bei gleichzeitiger fluider, transparenter und durchlässiger Kommunikation und Information.

Der digitale, virtuelle Raum macht transparent, was produktive Arbeit, das Erreichen von Ergebnissen ist und was nur Beschäftigung. Ob es viele Videokonferenzen gibt à la „gut, dass wir drüber gesprochen haben“ oder Ergebnisse erzielt werden. Warren Bennis Diktum, dass „Great groups ship“, dass großartige Teams „liefern“, d.h. Ergebnisse erreichen und das zufrieden macht („Werk anschauen“), sollten alle Führungskräfte beherzigen, die sich jetzt in einem Crashkurs mit digitaler Führung auseinandersetzen.

Es geht um eine produktive Balance von „seeing faces“ (mit Menschen interagieren), „seeing hands“ (arbeiten bzw. zusammen arbeiten“ und „seeing ends“ (Zweckhaft, zielorientiert, ergebnisorientiert führen).

Auch sind wir ganze Körper, wenn wir stehen, bewegen wir uns, wir stehen niemals still, unsere Gedanken, unsere Gefühle werden fluider. Es ist nicht zu unterschätzen, auch im digitalen Raum mehr als nur den Kopf zu sehen. Probieren sie es aus. Einer der wirkungsvollsten Veränderungen war, als ich in der Vorbereitung eines Online-Workshop entschied, zu stehen und mehr als nur mein Gesicht zu zeigen. Nicht nur ich wurde beweglicher und energievoller, auch die Teilnehmenden berichteten, dass auch sie bei sie eine höhere Lebendigkeit und einen höheren Energielevel feststellten. Warum? Spiegelneuronen sind einfach immer am Werk und “funktionieren” auch im digitalen Austausch.

Wenn wir mehr sehen, als unsere Köpfe, ist unsere Kommunikation natürlicher, weil wir keine “talking heads” sind, wir sind mehr. Unsere Spiegelneuronen feuern anders, wir “berühren” uns mehr, wir sind mit mehr in Resonanz, als nur mit unseren Köpfen. Köpfe sind archaisch und hobbypsychologisch stärker mit Denken, Verstand verbunden, Körper mehr mit Gefühl, Resonanz, Kontakt.

Wenn wir nur sprechende Köpfe sehen, dann wird implizit noch stärker auf Denken und Sprechen fokussiert, alle anderen, wesentlichen Kanäle unserer Interaktion und Kommunikation — spüren, fühlen, empfinden, ahnen, zögern. Wenn wir mehr als nur unsere Köpfe, unsere Gesichter sehen, wird mehr zwischen uns in Kommunikation, in Interaktion, in Resonanz gehen.

Wie stark stimulieren und energetisieren wir uns, wenn wir sitzen und nur die Köpfe von anderen sehen.

Je mehr wir von uns einbringen können, je weniger wir zurückhalten müssen. Auf dünnem kommunikativen Eis zu gehen ist anstrengend, weil wir uns gleichzeitig einbringen und zurückhalten müssen, weil wir permanent testen, achtsam, vorsichtig, vielleicht zu vorsichtig sind, ob das Eis noch trägt. Es ist kraftvoller, wenn wir darauf vertrauen können, dass das Eis trägt. Wenn wir unsere Kräfte ausrichten können. Auf sicherem Boden lässt es sich besser tanzen, als auf dünnem Eis.

Lust auf Austausch?

idea@leadingdigital.org

Bleiben Sie gesund – auch mental,
Christian Baudisch

Written: April 19, 2020
Revisions: May 9, May 20, and May 23, 2020

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